Puzzlestückchen zur Geschichte des Immenhofs

  • Noch bevor die Berliner Arbeiterwohlfahrt in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts das Gelaende kaufte, gab es hier einen "Immenhof" - und zwar als noch vor dem 1. Weltkrieg gegruendetes, etwas "alternatives" Pensions - und Erholungshaus, in dem Werte wie Toleranz und naturnahes Leben hochgehalten wurden.


    Hier eine Postkarte von ca. 1918, sie zeigt das Hauptgebaeudes des allerersten Immenhofes. Dieses wurde dann auch zum Herzsstueck des AWO-Heimes, bis es 1928 abbrannte.


    immenhof 1918.jpg


    Aus der "Vorgeschichte" existiert noch die Abschrift eines Prospektes aus dem Jahr 1914. Der Text vermittelt auch einen Eindruck uber das spaeter von der AWO gekaufte Gelaende:


    Ein Immenhof-Prospekt von 1914.pdf


    Gudrun

  • Noch ein Puzzlestueckchen, wenn auch ein ganz kleines: Der Autor des Buches ueber Hanna Grunwald-Eisfelder, Reinhard Otto, schreibt ueber seinen persoenlichen Bezug zum Immenhof (S. 46, siehe: Literaturempfehlungen / Veröffentlichungen :(


    "Der Name 'Immenhof' sagte mir etwas... 1949 war ich dort in Huetzel geboren, operiert und ein halbes Jahr gepflegt worden- zu einer Zeit, als der Hof der Gegend als Notkrankenhaus diente".


    Gudrun


  • Noch ein Puzzlestückchen zur Immenhof- Geschichte. Aus dem Buch "Die Arbeiterwohlfahrt in der Zeit von 1933 bis 1945" von Heinz Niedrig (Marburg 2003), S. 41 f:


    "Am 5. Mai 1933 wurden alle Mädchen vom AWO-Erziehungsheim 'Immenhof' von NS-Leuten mit Bussen abgeholt und in andere Heime gebracht. Lotte Lemke schilderte diese Szene eindringlich mit folgenden Worten (im Videofilm 'Lotte Lemke erzählt'):


    'Ein Anruf des Landesjugendamtes Berlin Anfang Mai teilte mir mit, dass am nächsten Tag die Mädchen aus dem 'Immenhof' abtransportiert werden durch die neuen NS-Oberen. Ich bin sofort hingefahren und habe mit allen Erzieherinnen gesprochen und abends eine Versammlung mit allen Mädchen anberaumt und ihnen gesagt, was ihnen bevorsteht. Die Mädchen waren ja sehr radikal, waren z. B. engagierte Kommunistinnen.


    Und ich sagte ihnen: Benehmt euch, wie wir euch hier zu erziehen gehofft haben, und sie gingen darauf gefasst ein.


    Am nächsten Morgen geschah etwas, was ich nie im Leben vergessen werde: Wir sind bereits früh um sieben Uhr alle zusammen gekommen mit unserer roten Fahne und wir gingen über das ganz große Immenhof-Gelände und sangen 'Brüder, zur Sonne zur Freiheit' und auch, was ich heute nicht mehr singen kann nach allem Geschehen: 'Der Mensch ist gut'. Als wir zurückkamen, warteten bereits die Busse und die Mädchen mussten einsteigen. Und sie haben nicht revoltiert, nicht mit Steinen geworfen, nicht die Leute beschimpft, sondern sie sind weinend in die Busse eingestiegen. Und manche gingen in eine schreckliche Zukunft ...


    Für uns als junge Sozialistinnen war der 'Immenhof' ein wunderbares Beispiel dafür, wie man pädagogische und sozialistische Reformvorstellungen in die Praxis umsetzen kann. Wir wollten dort beweisen, dass es auch für sog. gefährdete und verwahrloste Mädchen nicht nötig ist, junge Menschen hinter Mauern und verschlossenen Türen einzusperren, wo pädagogisches Bemühen nur auf Disziplinierung hinauslief.'


    Der 'lmmenhof' sollte laut Deutscher Arbeitsfront zunächst ab Mai 1933 ein 'Arbeitslager' werden, dann war das Heim als Gestapo-Schulungsheim im Gespräch, schließlich stand es fast ein Jahr leer, nur die Gartenbetriebe arbeiteten weiter, bis es später als NS-Erholungsheim für Mütter diente."


    Herzliche Grüße,


    Gudrun

  • was ich heute nicht mehr singen kann nach allem Geschehen: 'Der Mensch ist gut'.


    Ich poste hier auch mal den Text des Liedes, das Lotte Lemke im o.g. Videofilm erwähnt. A. Zickler hat es 1921 geschrieben, und es wurde viel in der Sozialistischen Arbeiterjugendbewegung gesungen:


    1) Hebt unsere Fahnen in den Wind!
    Sie fließen hell wie Sonnenglut
    und künden, dass wir gläubig sind:
    Der Mensch ist gut!

    2) Stellt eure Stirnen hoch ins Licht
    und fragt nicht, was gewesen sei
    und hört nur, was die Zukunft spricht:
    Der Mensch ist frei!


    3) Laßt alles mit den Fluten gehn,
    was nicht nach hohen Zielen weist.
    Für uns bleibt eines nur bestehen:
    Der neue Geist!


    4) Durch diesen Maienmorgen klingt
    das wilde, milde Lied des Föhn,
    das Freude und Erlösung singt:
    Die Welt ist schön!


    5) Hebt unsere Fahnen in den Wind,
    hebt in die Sonne euren Mut!
    Wir kämpfen, weil wir gläubig sind:
    Der Mensch ist gut!


    Liebe Grüße,


    Gudrun

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